Mächtig verlockend
Frauen der Welfen

Frauen haben das Leben in der Celler Residenz wesentlich mitgestaltet, auch wenn ihre rechtliche Stellung es zu jener Zeit offiziell nicht zuließ. Der Griff nach der Krone sowie das verführerische Spiel mit der Haarlocke – diese beiden symbolischen Gesten, mit denen der Maler die Celler Herzogin Eléonore d’Olbreuse (1639–1722) in ihrem Porträt darstellte, wurden zum Motto einer Ausstellung.

Herzogin Eléonore und ihre Tochter Sophie Dorothea (1666–1726)

Zwei fürstliche Lebensläufe zwischen Glück und Unglück

Mit Herzogin Eléonore und ihrer Tochter Sophie Dorothea (1666–1726) präsentierte die Ausstellung „Mächtig verlockend“ beispielhaft das Leben zweier bedeutender Fürstinnen des Welfenhauses, deren Geschichte auf das Engste mit der Celler Residenz verbunden ist. Wie alle Frauen fürstlicher Abstammung hatten beide zunächst und vorrangig der Erwartungshaltung ihrer Familie zu entsprechen und die männliche Nachkommenschaft und
damit die dynastische Erbfolge zu sichern. Mit diesen beiden sehr unterschiedlich verlaufenden Biografien wurde zugleich ein neuer Blick auf die Rolle der Frau in der höfischen Gesellschaft um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert geworfen.

Frauen und Politik

Auch wenn ihre gesellschaftliche Rolle einen direkten politischen Einfluss ausschloss, so gelang es doch vielen, sich ihnen eröffnende Handlungsspielräume zu nutzen. Alter, Lebensstand, Status (als Fürstin, Gattin, Ehefrau, Mutter, Tochter, Witwe, Mätresse oder Hofdame) und der
Einsatz persönlicher Fähigkeiten ermöglichten es ihnen, die Netzwerke und Kommunikationswege im politischen System des Hofes mehr oder weniger erfolgreich für eigene Interessen zu nutzen.

Einflussreich: Clara Elisabeth von Platen, Mätresse des Kurfürsten Ernst August von Hannover (Gemäl- de in Privatbesitz)
Einflussreich: Clara Elisabeth von Platen, Mätresse des Kurfürsten Ernst August von Hannover (Gemäl- de in Privatbesitz)

Eléonore d‘Olbreuse

Aus dem französischen Landadel des Poitou stammend, lernte die Hugenottin Eléonore Desmier d’Olbreuse (1639–1722) den zukünftigen Celler Herzog Georg Wilhelm (1624–1705) von Braunschweig und Lüneburg am Hof des Landgrafen von Hessen-Kassel kennen; beide verliebten sich ineinander. Doch Georg Wilhelm hatte seinem jüngeren Bruder Ernst August vertraglich zugesichert, dass er niemals heiraten und folglich auch keine erbberechtigten Nachkommen zeugen würde.

Medaille mit dem Porträt Eléonores und ihrer Bezeichnung als Herzogin

Ein seltener Aufstieg

Zunächst war die dem Herzog unebenbürtige Eléonore nicht mehr als die Mätresse Georg Wilhelms, doch dieser betrieb eifrig die Standeserhöhung seiner Geliebten. Nachdem sie vom Kaiser in den Grafenstand erhoben wurde, fand 1676 die offizielle Vermählung statt. Obwohl die Ehe nicht standesgemäß war, trug Eléonore bald darauf den Titel einer Herzogin. Der Aufstieg Eléonores zur Herzogin zeigt eine gebildete und selbstbewusste Adlige, die einerseits von dem Wunsch nach persönlicher Erfüllung geprägt war, anderseits jedoch ihre Interessen und die ihrer Landsleute und Glaubensbrüder gezielt vertreten wollte.

Sophie Dorothea

Sophie Dorothea (1666–1726) war das einzige Kind des Celler Herzogpaares. Ihr Vater Georg Wilhelm und dessen Bruder Ernst August beschlossen, ihre Kinder miteinander zu verheiraten und die machtpolitischen Spannungen um das Celler Erbe zu beenden. Sophie Dorothea wurde im Jahr 1682 die Gemahlin ihres Cousins Georg Ludwig und zehn Jahre später an seiner Seite Kurprinzessin von Hannover. Doch die Ehe scheiterte und Sophie Dorothea begann ein leidenschaftliches Verhältnis mit Philipp Christoph von Königsmarck. Im Juli 1694 plante das Paar die Flucht, doch Königsmarck wurde auf
Anweisung des hannoverschen Herrscherhauses ermordet.

Das kostbare Miniaturporträt der Prinzessin wurde von Peter Boy d.Ä. in Frankfurt angefertigt.

Sarg der Prinzessin in der Fürsten­gruft der Celler Stadtkirche

Die ungekrönte Prinzessin

Die Affäre drohte zur Gefahr für das junge Kurfürstentum Hannover zu werden, das noch um seine politische Anerkennung kämpfte. Deshalb „verbannte“ man die 1695 schuldig geschiedene Sophie Dorothea zeitlebens auf das Wasserschloss Ahlden – abgeschnitten von allen Informationswegen, getrennt von ihren Kindern, ausgeschlossen aus dem Haus Braunschweig-Lüneburg. Georg Ludwig wurde 1714 als Georg I. zum König von Großbritannien und Irland gekrönt und trat sein Amt ohne Gemahlin an.

Königliche Nachfahren

Sophie Dorothea, bekannt als „Prinzessin von Ahlden“, beschäftigte schon die Zeitgenossen der ausgehenden Barockzeit und bewegt bis heute. Ihr Sohn Georg August wurde Georg II., Kurfürst von Hannover und König von Großbritannien. Ihre Tochter Sophie Dorothea d. J. heiratete Friedrich Wilhelm I., den „Soldatenkönig“, und war Mutter Friedrichs II., „des Großen“.

Sophie Dorothea mit ihren Kindern, dem späteren Georg II. von Großbritannien, und Sophie Dorothea der Jüngeren, Königin in Preußen.
Gemälde von Jacques Vaillant

Die Ausstellung

Die spannenden und zugleich bewegenden Lebensläufe der beiden Frauen ließen die Ausstellungsgäste in die Welt barocker Fürstenhöfe eintauchen. Herkunft, Heiratspolitik, Ehe, Mutterschaft, Affären und Tod – Phasen weiblichen höfischen Lebens – bildeten die Kapitel der Ausstellung.

Zugleich ließ diese Herangehensweise aus tragischen Einzelschicksalen Spiegelbilder ihrer Zeit werden und bildete Anknüpfungspunkte, die emotional ansprachen und dennoch aus der Befangenheit heutiger Lebensvorstellungen in die Geschichte hineinführten. Einbezogen wurden dazu auch andere Frauen aus dem Haus der Welfen, die meist als Zeitgenossinnen in unmittelbarem persönlichen Kontakt standen.

Einzigartige Objekte

Aussagekräftige Exponate aus der Sammlung des Bomann-Museums und der Stadt Celle sowie kostbare Leihgaben aus europäischen Adelshäusern gaben Einblick in Hofleben und Zeremoniell der Epoche. Die Wiege Friedrichs des Großen, originale Briefe aus der Korrespondenz zwischen Sophie Dorothea und Philipp von Königsmarck, das von Sophie Dorothea in ihrer Verbannung gestiftete vergoldete Abendmahlsgeschirr der Ahldener Kirchgemeinde und ein Schillerscher Dramenentwurf zählten zu den herausragenden Exponaten. Moderne technische Medien und interaktive Stationen ergänzten den Rundgang durch das barocke Frauenleben.

Hier finden Sie Informationen über das
Forschungsprojekt Königsmarck-Briefwechsel:

  • Königsmarck-Briefwechsel
Das Abendmahlsgerät aus vergoldetem Silber befindet sich noch heute in der ev.-luth. Kirchengemeinde Ahlden.
Das Abendmahlsgerät aus vergoldetem Silber befindet sich noch heute in der ev.-luth. Kirchengemeinde Ahlden.
Kuratorinnen: Kathleen Biercamp, Juliane Schmieglitz-Otten
Förderung: Land Niedersachsen, Stiftung Niedersachsen, Lüneburgischer Landschaftsverband
Gestaltung:
Homann Güner Blum – Visuelle Kommunikation
Medienpartner: NDR Kultur, Landesfrauenrat Niedersachsen,
Projekt „frauenORTE Niedersachsen“

Veröffentlichung:

Mächtig verlockend – Frauen der Welfen, hg. vom Bomann-Museum Celle, Abtlg. Residenzmuseum im Celler Schloss, bearbeitet von Kathleen Biercamp und Juliane Schmieglitz-Otten, Celle 2010 (ISBN: 978-3-87527–118-8)

Sie brachte alle Lieblichkeiten ihrer Heimat
nach Deutschland.

— Voltaire (1694–1778) über die Celler Herzogin Eléonore d'Olbreuse